Wenn Puppen lebendig werden
Meinfranken Theater - Würzburg
2005 November 20
Von Anna Vita nach Ágnes Balázs: Andersens Welt
Choreografie: Anna Vita
Musik:Erik Satie
Bühne:Herbert Buckmiller
Kostüme: Andrea Meinköhn
Dramaturgie: Boris Wagner
Kritik von
Mainfranken Journal:
Würzburg - Können Puppen sprechen, ohne zu reden? Und lebendig werden? In der Weihnachtsgeschichte "Andersens Welt" erleben große und kleine Zuschauer Wundersames. Das zauberhafte Tanzstück nach einer Erzählung der Ungarin Agnes Balazs feierte eine umjubelte Premiere im Würzburger Mainfranken Theater.
Mucksmäuschenstill staunten die Besucher in die dunkel-verschneite Nacht auf der Bühne. Die kleine Gerda, ein fröhliches Mädchen, das kreuz und quer über die Bühne wirbelt, zwirbelt seine Zöpfe und springt in alle Himmelsrichtungen - bis seine geliebte Großmutter stirbt. Nun ist es mutterseelenallein auf der Welt, muss auf der Hut sein vor dem Schnaps schluckenden, ständig maulenden Hausmeister. Er ist der Einzige, der ein paar Sätze spricht (Andreas Anke). Am Ende der Geschichte, die sich wie ein in Bewegung geratenes Bilderbuch aufblättert, wird auch er vom Märchenzauber gefangen sein und voller Überzeugung auf die Flasche verzichten.
Gerda, temperamentvoll und mit breiter Ausdruckspalette getanzt von der neu ins Ensemble der Ballettkompagnie aufgenommenen Britin Caroline Matthiessen, flüchtet sich vor ihm in die Kellerwohnung des dänischen Dichters Hans Christian Andersen (Sven de Baets bewegt sich herzerfrischend, humorvoll, komisch, gelegentlich ernst), der ein berühmter Theaterschriftsteller werden will. Gerda staunt nicht schlecht, als seine Puppen, alles Figuren aus den Andersen-Märchen, zum Leben erwachen und allerlei Schabernack treiben.
Anna Vita, Ballettdirektorin des Mainfranken Theaters, hat für dieses Weihnachtsmärchen eine wunderbare Musik ausgewählt. Eric Saties teils vom Piano (Marina Müller), teils vom Band gespielte Klangfolgen harmonieren mit ihrer Choreografie, als gehörten sie ganz selbstverständlich zusammen. Den Tänzerinnen und Tänzern liefern sie den Boden für individuelle Ausdrucksmöglichkeiten, die sie in den Solotänzen, im Ensemble und im Pas de Deux nutzen und dabei ihr klassisches Können zeigen.
Annelie Chasemore als Schneekönigin, der standhafte Zinnsoldat (Jérôme Gosset), die Ballerina (Ako Nakanome), Sophie aus "Die Blumen der kleinen Ida" (Kerstin Knoll) und Ole aus "Ole Luk-Oie" (Ivan Alboresi) geben ihren Figuren Charakter und Profil.
In den sechzig abwechslungsreichen Minuten gibt es immer wieder Action oder atemlose Spannung (Dramaturgie: Boris Wagner). Etwa wenn die Schneekönigin ihren eiskalten Hauch über die Puppen weht, oder wenn die Passanten auf der Straße - aus der Perspektive der Kellerwohnung sind nur ihre Füße zu erkennen - im Walzertakt vorbei eilen (Kostüme: Andrea Meinköhn). Es ist die Melancholie, der besondere Hauch von Traurigkeit, die Andersens Märchen so beliebt gemacht haben und die auch in dieser Ballettproduktion spürbar werden.
Von Ursula Düring
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